Kompromissvorschlag zu einer abgespeckten Finanztransaktionssteuer.Nach dem Dissens beim Ecofin am 13. März
begann die Bundesregierung, beim informellen Treffen der
EU-Finanzminister am 31. März und 1. April einen Kompromiss zu suchen. In einem
dazu vorgelegten Arbeitspapier beteuert die Bundesregierung, dass sie am Ziel
einer allgemeinen Finanztransaktionssteuer festhalte. Jedoch gäbe es bei
einigen Mitgliedstaaten noch Skepsis und bei technischen Fragen, etwa der
Besteuerung von Derivaten und der Begrenzung von Steuervermeidung, wäre noch
weitere Arbeit vonnöten. Deswegen sei in absehbarer Zeit mit keiner Einigung zu
rechnen. Die Bundesregierung schlage deswegen als Zwischenschritt eine
abgespeckte Finanztransaktionssteuer nach Muster der britischen Stempelsteuer
oder der kürzlich verabschiedeten französischen Steuer vor. Diese Steuer würde
Transaktionen mit Aktien von inländischen Unternehmen umfassen. Die Steuerbasis
könne später um Anleihen und Derivate erweitert werden.
Die Briten
erteilten auch diesem Vorschlag, obwohl sie eine solche Steuer bereits haben,
eine klare Absage. Der Grund ist eine generelle Abneigung gegenüber jedweder
europäischen Steuer. An einer Kompromisssuche im Rahmen einer Arbeitsgruppe
beteiligen sie sich gar nicht erst. Damit ist die Option einer EU-weiten Steuer
auf Basis des kleinsten gemeinsamen Nenners vom Tisch. Die bisher abgeneigten
Schweden können sich dagegen mit einer abgespeckten Variante anscheinend
deutlich besser arrangieren.
Bei einer
Einführung im Rahmen einer Verstärkten Zusammenarbeit von mindestens neun
EU-Staaten entfiele die Notwendigkeit, sich von Steuer- und
Regulierungsverweigerern auf einen Minimalkompromiss herunterhandeln lassen zu
müssen. Die offiziellen Verhandlungen dazu können aber erst dann beginnen, wenn
der Richtlinienentwurf der Kommission vom Ecofin formal abgelehnt wurde: die
Verstärkte Zusammenarbeit ist ein formal geregeltes Verfahren, das erst als
"letztes Mittel" in Frage kommt. Die mit der Kompromisssuche
beauftragte informelle Arbeitsgruppe wird jedoch weiter tagen - und dabei
wichtige Pflöcke einschlagen.
Technische Arbeiten an der EU-Richtlinie. Die Arbeiten an der EU-Richtlinie werden
neben der Arbeit an einem verwässerten Entwurf dennoch weitergeführt. Die
dänische Ratspräsidentschaft hat in einem Papier kontroverse technische
Aspekte aufgelistet und dazu auch alternative Vorschläge festgehalten.
Es geht dabei
um folgende Punkte:
1.
Steuerbasis
(Ansässigkeitsprinzip, d.h Besteuerung nach Sitzland der Transaktionsparteien;
Ausgabeprinzip, d.h. Besteuerung nach Ausgabeland des Finanzinstruments; eine
Kombination beider Prinzipien)
2.
Wie
lässt sich die Steuervermeidung mit Hilfe von ausgelagerten Tochterunternehmen
einhegen?
3.
Besteuerung
von Derivaten (nach bisherigem Stand; nach Muster der französischen FTS auf
ganz wenige Derivate bezogen; Besteuerung nach ökonomischem Wert; vorerst keine
Besteuerung)
4.
Besteuerung
von Staatsanleihen
5.
Bewertungsverfahren
für bestimmte Finanzvermögen
6.
Besteuerung
von Hypotheken und anderen Immobilienwertpapieren
7.
Ausnahme
von Nicht-Finanzinstituten
8.
Ausnahmen
für Pensionsfonds
9.
Reihenfolge
der Kriterien für die Ansässigkeit (da das mit diesen bestimmte Land die
Steuereinnahmen erhält)
10.
Umsetzung
der gemeinsamen steuerschuldnerischen Haftung
11.
Steuersätze
(nach bisherigem Stand; andere Bemessungsgrundlage bei Derivaten; Besteuerung
nur einer der Transaktionsparteien; Nur-Einmal-Besteuerung bei
Transaktionsketten)
12.
Steuerbeitreibung
13.
Fristen
zur Steuerbegleichung
Die damit
befasste Arbeitsgruppe traf sich bereits am 26. April und 4. Mai. Einige dieser
technischen Aspekte haben große politische Bedeutung (z.B. der Umgang mit
Derivaten oder die Wahl der Steuerbasis). Die Besteuerung von
Devisentransaktionen findet sich leider nicht auf der Liste.
Der Ecofin am
15. Mai wird sich voraussichtlich nicht mit den Steuerplänen befassen. Beim 22.
Juni soll er jedoch über die Richtlinie entscheiden. Eine Ablehnung (für die
Annahme wäre Einstimmigkeit erforderlich) würde den Weg für eine
teileuropäische Einführung im Rahmen einer Verstärkten Zusammenarbeit
freimachen. Dazu wäre dann allerdings noch eine formale Ermächtigung notwendig.
Die Staaten müssten nach der Ablehung im Ecofin einen Antrag bei der Kommission
einreichen, dem dann Europa-Parlament und Rat zustimmen müssten.
Änderungsvorschläge im ECON-Ausschuss. Der Ausschuss für Wirtschaft und Währung
(ECON) des Europaparlaments hat am 25. April über insgesamt 179
Änderungsanträgen zum Richtlinienentwurf abgestimmt.
Insgesamt
sprach sich der Ausschuss mit großer Mehrheit für die Steuerpläne aus und
forderte eine Ausdehnung der Steuer auch auf alle Transaktionen mit
Wertpapieren, die in der EU emittiert wurden.
Die
Änderungsvorschläge geben ein gutes Bild sowohl von der allgemeinen Einstellung
gegenüber der Steuer als auch zu einzelnen kontroversen Aspekten. Einige der
Vorschläge waren erkennbar im Sinne unsere Kampagne:
Vorschläge
von Pascal Canfin (Grüne), Miguel Portas / Jürgen Klute (GUE/NGL), Ani Podimata
und Arlene McCarthy (Sozialdemokraten) zielen auf die Verwendung der Einnahmen
im Sinne der Kampagne. Mehrere Anträge zielten auf die Kombination des
Ansässigkeitsprinzip mit dem Ausgabeprinzip (d.h. der Besteuerung aller
Transaktionen, wenn entweder eine Transaktionspartei in der EU ansässig ist
oder das Finanzinstrument in der EU emittiert wurde). Vorschläge von Sylvie
Goulard (ALDE) und Pascal Canfin (Grüne) zielen auf eine zügigere Einführung
der Steuer im ggfs. kleineren Rahmen. Drei Änderungsanträge beantragten,
Devisentransaktionen zu beteuern. Othmar Karas (EVP) zielte auf die höhere
Besteuerung von OTC-Geschäften.
Die
endgültige Entscheidung fällt allerdings erst Ende Mai im Plenum des
Europaparlaments. Dieses kann bei Steuerfragen allerdings nur Stellungnahmen
ohne bindende Wirkung abgeben
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